Die Luft, die wir teilen: Warum das Recht auf saubere Luft nicht länger ignoriert werden kann (Interview)
In vielen Ländern wurden Gesetze und Vorschriften eingeführt, um die Luftqualität zu schützen und zu verbessern. Diese Maßnahmen unterstützen indirekt das Recht der Bürger auf saubere Luft, basierend auf wissenschaftlichen Erkenntnissen über die gesundheitlichen Auswirkungen von Luftverschmutzung. Obwohl das Recht auf saubere Luft nicht explizit als eigenständiges Menschenrecht anerkannt ist, wird es oft als Teil des breiteren Rechts auf eine gesunde Umwelt betrachtet und durch verschiedene nationale und internationale Gesetze gestärkt.
Im Interview mit ‚Kenne deine Rechte‘ spricht Ao.Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr.techn Stefan Hausberger, Abteilungsvorstand am Institut für Thermodynamik und nachhaltige Antriebssysteme im Fachbereich Emissionen, über Technologien, Emissionen und das Recht auf saubere Luft.
Können Sie uns einleitend Ihre persönlichen Interessen in Bezug auf Emissionen erläutern? Was verbinden Sie mit diesem Thema?
Als ich angefangen habe zu studieren, war die Luft in Graz wirklich schlecht. Der Verkehr war der Hauptverursacher und es gab Smog-Alarm Ende nie. Das hat mich damals angetrieben, etwas dagegen zu unternehmen und saubere Antriebe zu entwickeln. An unserem Institut war damals in diesem Bereich rein zufällig eine Masterarbeit ausgeschrieben; so bin ich dabei gelandet und mit Begeisterung dabeigeblieben.
Als Experte auf dem Gebiet der Verbrennungskraftmaschinen und Emissionsforschung, können Sie uns allgemein erklären, was Emissionen sind und wieso diese nicht nur die Umwelt, sondern auch die Gesundheit der Menschen gefährden? Gibt es spezifische Gesundheitsrisiken, die mit diesen Emissionen verbunden sind?
Hier sollten wir wahrscheinlich einen Mediziner hinzuziehen, um eine fundierte Antwort darauf zu erhalten. Mein Wissen von der Vebrennungsseite sieht folgendermaßen aus: Es werden Kohlenwasserstoffe, also H- und C-Atome, die zusammenhängen, verbrannt. Im Idealfall wird Wasser und CO2 daraus. Das Endprodukt wäre gesundheitlich unproblematisch für uns.
CO2 als Treibhausgas ist natürlich noch immer schlecht, aber es kommt einerseits nicht zur vollständigen Verbrennung. Hierbei entstehen Kohlenwasserstoffe wie Benzol, Toluol, oder Xylol, die alle sehr krebserregend sind. Die wollen wir gar nicht haben. Oder z.B. Methan, wieder ein Treibhausgas, jedoch nicht ungesund. Es gibt über tausend Kohlenwasserstoffverbindungen im Abgas. Von ganz schlecht bis unkritisch. Auch Kohlenmonoxid ist ein äußerst gefährliches Atemgift, das entsteht, wenn Materialien unvollständig verbrennen. Ein Übermaß an Kohlenmonoxid kann zu Erstickung führen, ähnlich wie bei einer Rauchgasvergiftung.
An der freien Luft stellt Kohlenmonoxid in der Regel kein ernstes Problem dar, da es dort so stark verdünnt ist, dass es keine direkte Gefahr für Menschen darstellt. Es ist also eher unkritisch. Jedoch können bei unzureichender Verbrennung Partikel entstehen. Heutzutage sind diese Partikel aus Verkehrsemissionen, aufgrund der weit verbreiteten Verwendung von Partikelfiltern in Fahrzeugen, kaum noch relevant. Die meisten Autos sind mit solchen Filtern ausgestattet, die effektiv verhindern, dass Partikel in die Atmosphäre gelangen, es sei denn, der Filter ist defekt. Leider gibt es manche Narren, die fälschlicherweise glauben, dass das Entfernen des Partikelfilters die Leistung ihres Fahrzeugs steigert oder den Kraftstoffverbrauch senken würde – was nur einen minimalen Einfluss von etwa ein bis zwei Prozent haben würde. Es gibt sogar Tuner, die solche Maßnahmen anbieten. Dies ist jedoch nicht ratsam und sollte vermieden werden.
Wird dies nicht während der jährlichen Fahrzeugüberprüfung (Pickerl) überprüft?
Es gibt derzeit ein Prüfverfahren, das in Österreich noch nicht eingeführt wurde, jedoch bereits in Deutschland, der Schweiz und den Niederlanden Anwendung findet. Es ist wahrscheinlich, dass alle EU-Länder in den nächsten zwei Jahren verpflichtet sein werden, dieses Verfahren einzuführen. In dieser Hinsicht hinken wir hinterher. Obwohl wir ein Umweltministerium haben (Anm.: Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie – BMK), dessen Verantwortungsbereich dies umfassen würde, scheint die Einführung dieses Verfahrens weniger Priorität zu haben als beispielsweise die Einführung eines Klimatickets. Jeder hat so seine Hobbies. Für die Überprüfung des Fahrzeugs fühlt sich in Österreich leider niemand wirklich zuständig.
Was ist mit den Emissionen im Zusammenhang mit Reifenabrieb?
Genau, es gibt die sogenannten Nicht-Abgas-Emissionen, zu denen auch Mikroplastik gehört. Beim Abrieb von Reifen entstehen winzige Partikel, die sich weit verbreiten können. Diese landen oft direkt auf der Straße und gelangen dann möglicherweise in Kanäle, Flüsse oder Kläranlagen, wo sie idealerweise herausgefiltert werden. Die feineren Partikel hingegen können kilometerweit transportiert werden und landen schließlich irgendwo in der Umwelt.
Es ist eine gute Frage, wie problematisch es ist, wenn der Reifenabrieb hauptsächlich aus Gummi besteht und sich in der Umwelt ansammelt. Der genaue Einfluss ist noch nicht vollständig bekannt. Für Fische könnte es sicherlich schädlich sein, wenn sie solche Partikel aufnehmen. In Bezug auf den menschlichen Konsum ist ebenfalls unklar, ob und wie solche Partikel den Körper beeinflussen und ob sie unverändert ausgeschieden werden. Leider enthalten Reifen nicht nur Gummi, sondern auch Weichmacher, Stabilisatoren, Metalle und eine Vielzahl anderer Bestandteile, von denen noch nicht klar ist, welche davon kritisch sind und welche nicht. Die Forschung zu diesem Thema steht noch am Anfang. Ähnlich verhält es sich mit dem Abrieb von Bremsbelägen, der ebenfalls eine große Menge Feinstaub freisetzt. Dabei handelt es sich um eine Mischung aus Kupfer, Füllmaterialien, Eisen und anderen Stoffen, die man eigentlich lieber nicht einatmen möchte. Immerhin ist Asbest seit geraumer Zeit verboten, bereits seit etwa 15 Jahren. Früher gab es Asbestabrieb, von dem man weiß, dass er gesundheitsschädlich war. Es ist wichtig, Probleme im Voraus zu erkennen, bevor Maßnahmen ergriffen werden können. Die kritischen Auswirkungen von Asbest wurden erst klar, als viele Asbestarbeiter nach Jahrzehnten an den Folgen gestorben sind. Es ist nicht so, dass man sofort erkrankt, wie es oft bei den verschiedenen Abgasen der Fall ist. Stattdessen treten die Folgen erst nach längerer Zeit auf und werden deshalb Langzeiteffekte genannt, da sie erst nach einer gewissen Zeit sichtbar werden.
Es scheint, als ob der Hass immer nur den Verbrennungskraftmaschinen gilt…
Ja, in Politik und Medien besteht immer noch die Tendenz, den Dieselmotor als Hauptverursacher von Partikelemissionen darzustellen, obwohl momentan der Dieselmotor im Vergleich zu anderen Verbrennungsmotoren wie Benzinern oder Erdgasfahrzeugen die geringsten Partikelemissionen aufweist. Tatsächlich ist der Dieselantrieb mittlerweile sehr sauber geworden, aber positive Nachrichten finden leider oft keinen Platz in den Medien.
Wie können Sie Emissionen kategorisieren und welche Entstehungsmechanismen existieren?
Also grob gesagt, bei der Verbrennung entstehen Emissionen, während beim Abrieb andere Partikel freigesetzt werden. Bei der Verbrennung kann man noch hinzufügen, dass sie sowohl gesundheitsschädlich als auch klimaschädlich ist. Das wäre eine grobe Unterscheidung.
Ein Beispiel ist der Abrieb von Schienen, das direkte Metall-auf-Metall-Reiben sowie das Reiben an Oberleitungen hinterlassen ebenfalls ihre Spuren. Dieser Abrieb hat durchaus Auswirkungen. Insbesondere in U-Bahn-Stationen werden regelmäßig Messungen durchgeführt; dort ist die Luftqualität in Bezug auf Feinstaub oft die schlechteste, die man weltweit finden kann. Die Belüftungssysteme sind unzureichend, und durch die ständig bremsenden und anfahrenden Züge und Bahnen wird das Problem verstärkt. Der gesamte Abrieb sammelt sich am Boden, was es unangenehm macht, sich dort längere Zeit aufzuhalten. Obwohl der öffentliche Verkehr per Definition als sauber gilt, gibt es auch hier Schattenseiten, die nicht verschwiegen werden sollten.
Ist die Feinstaubbelastung eine lokale oder globale Herausforderung (z.B.: die Auswirkungen der Feinstaubbelastung aus Asien auf Europa, oder der Sahara Staub)?
Was die Fernbetrachtung von Partikeln betrifft, so liegt das Hauptproblem in Österreich meiner Kenntnis nach eher im osteuropäischen Raum, wo verschiedene Kraftwerke ohne ausreichende Abgasreinigung betrieben werden. Dadurch gelangen viele Partikel wie Schwefel in die Atmosphäre. Ob wir auch aus China Emissionen erhalten, ist möglich, allerdings habe ich darüber keine genauen Informationen.
Inwiefern steht die E-Mobilität im Konflikt mit sauberer Luft?
Elektrofahrzeuge sind im Vergleich zu konventionellen Verbrennungsfahrzeugen zweifellos sauberer in Bezug auf Abgasemissionen. Darüber besteht kein Zweifel. Zudem erzeugen sie bei sachgemäßer Anwendung weniger Bremsabrieb, da sie über elektrische Bremssysteme verfügen, die im Vergleich zu Bremsscheiben mit Bremsbelägen keinen Abrieb verursachen.
Führt die Tatsache, dass Elektroautos seltener bremsen müssen, wenn sie bremsen, zu einer erhöhten Emissionsfreisetzung?
Ja, das ist eben die Frage, da die Bremsbeläge mit der Zeit tatsächlich rostig werden können. Leider gibt es bisher nur begrenzte Forschungsergebnisse dazu, wie sich dies auf die Emissionen auswirkt. Es stimmt, dass Bremsen manchmal aufgrund von Rost ausgetauscht werden müssen, nicht unbedingt aufgrund von Verschleiß. Auf der anderen Seite berücksichtigen die meisten Hersteller diesen Effekt, da die Bremsen auch bei Notbremsungen einwandfrei funktionieren sollen. Wenn es draußen nass und feucht ist, werden die Bremsen des Fahrzeugs immer wieder kurz betätigt, um den Trocknungsprozess zu unterstützen; dies merkt man gar nicht. Dadurch könnte ein Teil des Flugrosts entfernt werden. Ob Rost aus gesundheitlicher Sicht kritisch ist, ist eine gute Frage, über die ich keine genauen Informationen habe. Metall, das draußen steht, rostet und verteilt sich durch Wind und Wetter auch in der Umgebung. Dies wäre ein interessantes Thema für Umweltmediziner.
Welche Emissionsquellen entstehen durch den Betrieb eines E-Fahrzeugs und gibt es noch andere Herausforderungen, die noch nicht gelöst wurden?
Die Erzeugung von Strom ist entscheidend und wenn dieser Strom nicht aus sauberen Quellen stammt, sondern aus rein fossilen Brennstoffen, dann wird kein Fortschritt bei Treibhausgasemissionen erzielt und auch die Partikel- und Stickoxidemissionen bleiben bestehen. Diese werden nämlich von Gas- oder Kohlekraftwerken wieder freigesetzt. Diese Kraftwerke haben zentrale Standorte und verteilen ihre Emissionen von dort aus in die Atmosphäre, während ein Auto seine Emissionen direkt am Auspuff abgibt. In einer Stadt mit viel Verkehr ist es sinnvoller, wenn die Kraftwerke außerhalb der Stadt stehen. Die Frage, welches Kraftwerk für die Stromversorgung deines Elektroautos verantwortlich ist, ist sehr spannend. Du kannst dir zwar Ökostrom kaufen, aber der Strom, den du tatsächlich verbrauchst, könnte von anderer Herkunft sein und erhält möglicherweise fossilen Strom. Für das Gesamtkonzept ist es wichtig zu wissen, wann saubere Energien verfügbar sind und wie der Stromverbrauch verteilt ist. Derzeit fehlt es an klaren Erkenntnissen darüber, wann das Energienetz sauberen Strom in welchem Umfang bereitstellen muss, damit Elektrofahrzeuge tatsächlich umweltfreundlich sind.
Es fehlt an Transparenz für die Verbraucher.
Ja, eigentlich schon, wobei ich, was Österreich betrifft, sagen muss, basierend auf unserem Kraftwerkmix ist das Elektroauto deutlich sauberer in Bezug auf Treibhausgasemissionen als konventionelle Fahrzeuge.
Das Hauptproblem besteht darin, dass Europa vermutlich nicht genügend erneuerbaren Strom produzieren kann. Deshalb müssen wir Energie importieren, was besonders schwierig ist, wenn es um Strom geht, da die Übertragung über große Entfernungen ineffizient ist. In solchen Fällen müssen wir Alternativen wie Wasserstoff oder E-Fuels in Betracht ziehen.
Wie wird der Strom transportiert, um in unsere Region zu gelangen?
Strom wird in der Regel nicht über weite Strecken transportiert, da dies mit erheblichen Verlusten verbunden ist. Es gibt jedoch europäische Stromnetze, wie beispielsweise die Übertragungsleitungen von Russland in die Ukraine. Diese Stromleitungen erstrecken sich über tausende Kilometer und erfordern zahlreiche Umwandlungen, was zu erheblichen Verlusten führt. Ich glaube jedoch nicht, dass der Strom direkt über solch große Entfernungen transportiert wird. Stattdessen werden Leitungen, wie beispielsweise von der Nordsee nach Bayern gebaut, um Strom über große Entfernungen mit minimalen Verlusten zu transportieren. Der Ausbau solcher Leitungen ist zwar sehr teuer, aber notwendig.
In Europa gibt es Gegenden mit viel Photovoltaik im Süden, viel Wind im Norden und wenig Erneuerbare in der Mitte. Daher muss der Strom irgendwie verteilt werden, um ihn dort zu haben, wo er gebraucht wird. Diese Infrastrukturinvestitionen sind jedoch sehr teuer. Es mangelt oft an der Bereitschaft der Politik, die Wahrheit zu sagen, nämlich dass die Energiepreise steigen müssen, um das Klima zu retten. Die meisten Menschen wollen jedoch keine höheren Energiekosten akzeptieren. Obwohl saubere und erneuerbare Energie wichtig ist, möchten die meisten Menschen keine höheren Kosten dafür tragen. Das Gleiche gilt für Kraftstoffe: sauberere Alternativen sind oft teurer als Benzin oder Diesel.
Wie sauber müsste die Luft sein, um tatsächlich gesund leben zu können und welche Maßnahmen halten Sie zum Erreichen dieses Zieles sinnvoll?
Die Weltgesundheitsorganisation legt Richtwerte fest, die als gesund gelten, wie zum Beispiel fünf Mikrogramm pro Kubikmeter für NOx und 510 Mikrogramm für Partikel und Schwefel. Es gibt auch europaweite Luftqualitätsgrenzwerte, die eingehalten werden müssen. Wenn diese nicht eingehalten werden, kann man den Landeshauptmann verklagen, um die Einhaltung der Grenzwerte zu fordern. Dadurch haben sie eine gewisse Macht, weil Menschen Klagen einreichen können. In Deutschland hat beispielsweise die Deutsche Umwelthilfe alle Kommunen verklagt, die die Grenzwerte überschritten haben, um Maßnahmen zu erzwingen. Politiker stehen dann wiederum unter Druck, was bereits einige Veränderungen bewirkt hat.
Der Dieselskandal hat dieses Thema weiter angeheizt, da die Dieselautos viel mehr emittiert haben als erlaubt. Viele Hersteller haben geschummelt, was zu Fahrverboten in Städten und anderen Maßnahmen geführt hat. Auch in Graz hätte es nicht so viele Fortschritte beim Ausbau von Fernwärme und ähnlichen Maßnahmen gegeben, wenn nicht die Luftqualitätsgrenzwerte überschritten worden wären.
Jedes Mitgliedsland muss ein Messstellennetz haben und die Ergebnisse melden. Wenn Grenzwerte überschritten werden, muss ein Maßnahmenplan erstellt werden, der von der EU-Kommission geprüft wird. Wenn die Grenzwerte weiterhin überschritten werden, folgen Klagen. Es gibt bereits Fortschritte, und die Luftqualitätsgrenzwerte, die EU-weit verpflichtend sind, orientieren sich an den Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation. Allerdings werden diese Werte etwas abgemildert, da zum Beispiel die festgelegten 5 Mikrogramm pro Kubikmeter als Grenzwert dazu führen würden, dass ganz Europa als Luftüberschreitungszone gilt und Klagen zunehmen würden. Dies könnte dazu führen, dass alle Ressourcen darauf verwendet werden müssten, Klagen zu bearbeiten, anstatt Maßnahmen zur Verbesserung der Luftqualität zu ergreifen.
Es ist ein langsamer Prozess, aber es gibt Fortschritte. Als ich angefangen habe zu studieren, war die Situation viel schlimmer. Es wurde viel erreicht, aber es gibt dennoch viel zu tun.
Inwiefern betrachten Sie saubere Luft als ein potenzielles Menschenrecht, insbesondere vor dem Hintergrund der zunehmenden Verschmutzung durch diverse Quellen? Welche Rolle spielen Ihrer Meinung nach Technologien zur Reduzierung der Emissionen bei der Sicherung dieses potenziellen Rechts?
Ich fange mit der letzten Frage an, die ist am einfachsten. Bessere Technologien sind in der Vergangenheit das Einzige, was wirklich geholfen hat. Trotz des zunehmenden Verkehrs, der steigenden Anzahl von Wohnungen mit Heizbedarf und der vermehrten Nutzung von Klimaanlagen sind die Schadstoffemissionen deutlich zurückgegangen. Dies wurde vor allem durch verbesserte Technologien erreicht, die Stickoxide, Partikel und andere Schadstoffe um bis zu 99% reduzieren können. Eine Reduktion um 99% des Autoverkehrs ist praktisch unmöglich, ohne extreme Maßnahmen zu ergreifen, wie die Ausrottung der Menschheit – was natürlich keine Option ist. Daher ist es klar, dass Technologie hier die Lösung sein muss. Ähnliches gilt auch für die Reduzierung von CO2-Emissionen. Um 90% weniger CO2 in allen Industriestaaten zu erreichen und gleichzeitig den Energieverbrauch in den Bereichen Heizen, Transport und Kommunikation drastisch zu senken, wäre in einer Demokratie kaum umsetzbar. Daher müssen wir auf technologische Lösungen setzen, um diese Herausforderungen anzugehen. Man muss kein Technologie-Enthusiast sein, um zu erkennen, dass Verhaltensänderungen allein nicht ausreichen werden – außer vielleicht in Zeiten von Weltkriegen, aber das sind ganz andere Sorgen.
Es gibt bestimmte Entwicklungsverläufe in Volkswirtschaften, bei denen saubere Luft zu einem wichtigen Thema wird. Typischerweise wird dies relevant, wenn die Mehrheit der Menschen Zugang zu ausreichender Nahrung, Wohnraum und einem eigenen Transportmittel hat. Vor diesem Punkt haben die Menschen oft andere dringendere Sorgen als die Luftqualität. Sobald jedoch diese Grundbedürfnisse erfüllt sind, wird die Luftverschmutzung zum Thema und es werden Maßnahmen ergriffen, um die Luftqualität zu verbessern. Länder wie Österreich haben bereits relativ saubere Luft, während Länder wie Bangladesch oder Städte wie Neu-Delhi und Peking noch mit erheblichen Umweltproblemen zu kämpfen haben, da sie noch nicht denselben Entwicklungsstand erreicht haben. Daher kann man sagen, dass saubere Luft zwar ein Menschenrecht ist, aber wahrscheinlich nicht das vordringlichste.
Wie sehen Sie die Verantwortung von Regierungen, Unternehmen und der Gesellschaft im Allgemeinen, um sicherzustellen, dass Maßnahmen ergriffen werden?
Es liegt an den Regierungen, Maßnahmen zu setzen, um die Gesellschaft zu überzeugen, dass bestimmte Maßnahmen zur Bewältigung von Umweltproblemen notwendig sind. Dabei wird es immer einige unbequeme Entscheidungen geben. Im Fall von Abgasen nehmen die meisten Menschen kaum Veränderungen wahr. Wenn jemand ein neues Auto kauft, fallen im Vergleich zu vor 10 Jahren vielleicht 300-400 Euro mehr an Kosten für sauberere Abgase an. Dies mag der Verbraucher nicht direkt bemerken, aber er hat auch keine andere Wahl. Wenn jedoch plötzlich die Energie teurer wird, merkt es der Verbraucher. Hier müssen wir ihnen klar machen, dass diese höheren Kosten aufgrund der Sauberkeit oder geringeren Treibhausgasemissionen notwendig sind, solange es keine Technologie gibt, die sauberer und gleichzeitig preisgünstiger ist. Diese Technologie existiert bislang nicht, und es ist unklar, ob sie jemals entwickelt wird. Erdöl ist praktisch kostenlos verfügbar, was es schwer macht, damit zu konkurrieren. Man könnte argumentieren, dass Solarenergie auch fast kostenlos ist, zumindest bis zu dem Punkt, an dem man sie in Strom umwandeln und transportieren muss, was wiederum Kosten verursacht. Diese Kosten können entweder vom Steuerzahler getragen werden, wenn der Staat für die Stromnetze aufkommt, oder sie werden auf die Kunden umgelegt. Daher liegt die Verantwortung in erster Linie bei den Regierungen. Es ist unrealistisch, von Unternehmen zu erwarten, dass sie teure Maßnahmen ergreifen, da der Markt solche Ausgaben oft nicht belohnt. Wenn beispielsweise im Supermarkt ein Hühnchen steht, das doppelt so teuer ist, weil es von einem glücklichen Huhn stammt, werden nur etwa 10% der Verbraucher bereit sein, den höheren Preis zu zahlen, während die große Mehrheit weiterhin nach dem günstigsten Angebot sucht. Ähnlich wird es wohl auch beim Klima und der Luftqualität sein: Die Mehrheit wird eher auf das Geldtascherl als auf das allgemeine Wohl achten.
Gibt es Ihrer Meinung nach einen Trend oder eine Entwicklung hin zu strengeren gesetzlichen Vorschriften oder internationalen Standards, die darauf abzielen, die Umweltbelastung zu verringern? Welche Rolle spielen dabei Ihre Forschungsergebnisse und die Arbeit Ihres Instituts?
Es gibt definitiv einen Trend zu strengeren Vorschriften, und das zeigt Wirkung. Die Emissionen, einschließlich der Treibhausgase, werden weniger, besonders in Europa, wo wir uns stark für Verkehrsthemen engagieren. Zum Beispiel entwickeln wir die gesamte CO2-Zertifizierung und Gesetzgebung für schwere Nutzfahrzeuge in Europa. Jeder Lastwagen, der in Europa fährt, durchläuft ein Verfahren, das wir für die Kommission entwickelt haben. Wir haben auch einen erheblichen Beitrag zur Abgasgesetzgebung für die Euro-7 geleistet, die jetzt eingeführt wird, sowie zur Real-Drive-Emission und zur On-Board-Emissionsmessung, die seit 2019 verpflichtend ist. Sowohl die Industrie als auch die EU wurden von uns beraten, wie diese Maßnahmen umgesetzt werden können. Darüber hinaus erstellen wir in Österreich umfangreiche Emissions- und Energiebilanzen für den Verkehrssektor und zeigen der Politik auf, welche Maßnahmen welche Auswirkungen haben. Manchmal fragen sie uns auch nach Empfehlungen, aber nicht immer. Wir sind uns bewusst, dass wir nicht alles wissen, und behaupten nicht, dass alles richtig ist, nur weil wir es tun. Unser Ziel ist es, nicht nur akademische Konzepte für den universitären Leuchtturm, oder Elfenbeinturm, wie er liebevoll genannt wird, zu entwickeln, sondern auch konkrete Maßnahmen umzusetzen.
Wie kann die Technologie zur Reduzierung von Feinstaub dazu beitragen, soziale Ungleichheiten zu verringern und sicherzustellen, dass alle Menschen gleichermaßen von sauberer Luft und einer gesunden Umwelt profitieren können?
Es gibt Feinstaub, der durch Ferntransport verbreitet wird und der betrifft jeden, unabhängig vom sozialen Status. Selbst ein Superreicher kann sich nicht vollständig abschotten, da der Feinstaub durch geöffnete Fenster eindringen kann. Jedoch sind Menschen, die sozial weniger gut gestellt sind und typischerweise in der Nähe stark befahrener Straßen leben, stärker von Feinstaubemissionen betroffen. Die Konzentrationen von Schadstoffen sinken exponentiell mit zunehmendem Abstand zur Straße. Daher profitieren sozial schwächere Menschen tendenziell stärker von sauberen Fahrzeugen, was die Luftqualität betrifft. Wenn wir uns Elektroautos ansehen und die geplante Umstellung auf Elektroautos als Standard für Neuwagen ab 2035 europaweit, müssen wir auch berücksichtigen, dass diese Autos bezahlbar sein müssen und eine ausreichende Ladeinfrastruktur benötigen. Wohlhabende Personen können beispielsweise eine eigene Garage mit Ladestation besitzen und das Auto über Nacht aufladen. Die nicht Wohlhabenden, die möglicherweise in Reihenhäusern wohnen, haben wahrscheinlich nicht dieselben Möglichkeiten. Sie müssten ein Kabel aus dem Fenster hängen, was nicht praktikabel ist, oder teure öffentliche Ladestationen nutzen, was Zeit und Kosten verursacht. Es gibt noch viele Fragen bezüglich der praktischen Umsetzung und Verfügbarkeit von Lademöglichkeiten, die geklärt werden müssen.
Hier besteht auch ein Mangel an Konzepten seitens der Regierung.
Ja, es fehlen klare Konzepte, um Elektrofahrzeuge in dicht bebauten Innenstädten zu integrieren, insbesondere in Gebiete ohne vorhandene Tiefgaragen. Obwohl es einige Tiefgaragen gibt, verfügen nicht alle über ausreichende Stromkapazitäten, um das Laden von Elektrofahrzeugen zu ermöglichen, aber das ließe sich noch beheben.
In Bezug auf die Altstadt ist es schwierig, einfach zu sagen, dass man auf das Auto verzichten sollte. Viele Menschen betrachten ein Auto als unverzichtbar oder bevorzugen aus verschiedenen Gründen die Nutzung eines eigenen Fahrzeugs. Es gibt ja auch Diskussionen darüber, ob ein Auto tatsächlich notwendig ist. Dies führt zu einer wichtigen Debatte über die demokratischen Aspekte der Mobilität. Während es kein grundlegendes Menschenrecht ist, ein Auto zu besitzen, ist die individuelle Mobilität ein wesentlicher Bestandteil des täglichen Lebens.
Angesichts ihrer gesellschaftlichen Relevanz wird die Frage nach der zukünftigen Gestaltung der Mobilität immer wichtiger: Wie stellen Sie sich die Mobilität der Zukunft vor?
Die Autos werden zweifellos sauberer, das steht fest. Ob sie elektrisch oder mit Verbrennungsmotor fahren und welche Kraftstoffe sie verwenden, ist letztendlich nebensächlich. Insgesamt werden sie jedoch ziemlich sauber sein. Auch Bremsen- und Reifenabrieb werden wir weitgehend in den Griff bekommen; die Technologie wird immer fortschrittlicher. Doch bezüglich des Platzbedarfs haben wir ein Problem. Die Anzahl der Autos auf den Straßen nimmt ständig zu, während der verfügbare Platz in Städten und auf Autobahnen begrenzt bleibt. Das bedeutet, dass Staus weiterhin ein großes Problem bleiben werden. Im schlimmsten Fall könnten wohlhabende Menschen in Zukunft mit Drohnen durch die Luft fliegen, was eine dritte Dimension mit mehr Platz für Fortbewegung schaffen würde. In Bezug auf Umweltverschmutzung und Lärmbelastung wird es jedoch eher schlechter als besser, da der öffentliche Verkehr zwar wichtig ist, aber nicht alle Verkehrsprobleme lösen kann. Selbst wenn alle Menschen in öffentliche Verkehrsmittel umsteigen würden, wären Staus immer noch ein Problem. Natürlich wäre es schön, kurze Strecken zu Fuß oder mit dem Fahrrad zurückzulegen, aber das ist nur bis zu einem gewissen Punkt praktikabel. Die Realität ist, dass die Menschheit oft den bequemsten Weg wählt und Autofahren bevorzugt. Ich persönlich fahre, wann immer möglich, mit dem Fahrrad und bin davon begeistert. Wenn Energie und Transport teurer werden, werden die Menschen wahrscheinlich sowieso weniger fahren. Aber ein Politiker müsste den Mut haben, zu sagen: „Liebe Leute, saubere Luft gibt es nur, wenn sie mehr kostet.“