Eine rechte Parallelwirtschaft
Momentan ist der Kulturkampf in den USA ziemlich aufgeheizt. Inmitten dieses Diskurses entsteht eine Parallelwirtschaft. Doch was steckt dahinter?
MORAL UND KONSUM
Meist beginnt es mit einem neuen Produkt. Dieses Produkt braucht nur eine LGBTQ+ Person als Werbeträger*in zu haben und ein Aufschrei folgt.
So erging es auch der amerikanischen Biermarke BudLight, die im April dieses Jahres eine Kooperation mit der transgender-Influencerin Dylan Mulvaney einging. Auf ein auf Instagram veröffentlichtes Video folgte scharfe Kritik vonseiten politisch rechtsgerichteter Personen wie dem konservativen politischen Kommentator und Mitgründer der Medienplattform „The Daily Wire“ Ben Shapiro. Was geschah danach? Eine Ausweitung des interamerikanischen Kulturkampfes und ein Aufruf zum Boykott von BudLight, der den Aktienkurs des Mutterkonzerns Anheuser-Busch sowie dessen Verkaufszahlen einbrechen ließ. [1]
Dieser Vorfall eines konservativen Konsumboykotts ist jedoch kein Einzelfall mehr. Mittlerweile hat sich ein Netz aus konservativen Kleinunternehmen gebildet, die unter anderem von der Online Plattform PublicSq aus agieren. Dieser Online-Vertrieb unterstütze nach eigenen Angaben Unternehmen, die die eigenen Weltanschauungen teilen würden. So werden auf der Website Produkte in den Kategorien „Clothing“, „Coffee & Tee“ und – wen wundert es – „Shooting“ verkauft. Dieser moralisch- konservative Kapitalismus zieht noch weitere Kreise. Auch in der Dating-App Branche gibt es nunmehr entsprechende Plattformen wie etwa „The Right Stuff“, wobei „right“ eine Doppelbedeutung hat. Dieser App kann man nicht einfach beitreten, denn Mitgliedschaft ist nur per Einladung möglich, um sicherzustellen, dass nur „die richtigen Leute“ Mitglied werden können, wie Ryann McEnany, Gründerin und Gesicht von The Right Stuff, erklärt.[2]
Unterdessen hat Ben Shapiro mit seinem Medienportal The Daily Wire weitere Pläne, denn er hat vor, in die Filmbranche einzusteigen. So brachte The Daily Wire schon den Actionfilm „Run Hide Fight“ (2020) und den Dokumentarfilm „What is a woman?“ (2022) heraus. Die Doku, welche als transphobisch eingestuft wurde, behandelt die Frage, was eine Frau sei, wobei jedoch nicht wirklich nach einer Antwort gesucht, sondern gezielt eine bestimmte gegen die sogenannte „Gender- Ideologie“ (in der Doku auch als „Transgenderismus“ bezeichnet) gerichtete Antwort gegeben wird. Darüber hinaus investiert The Daily Wire 100 Millionen Dollar in den Ausbau eines eigenen Kinder-Streaming-Service, um etwa eine schon angekündigte „anti-woke“ Neuverfilmung von Schneewittchen zu drehen.
MILLIARDÄRE ALS UNTERSTÜTZER
All diese Projekte würden ohne eine Schar von Geldgeber*innen, die diese unterstützten, wohl nicht funktionieren. So investierte zum Beispiel der deutsch-amerikanische Milliardär, PayPal Gründer und Unterstützer von Donald Trump, Peter Thiel, 1,5 Millionen Dollar in die App „The Right Stuff“. Des Weiteren werden einige dieser Unternehmen von Leuten wie Donald Trump selbst oder Donald Trump Jr. unterstützt.[3]
ABER WARUM?
Aber warum bauen die Konservativen sich eigene Wirtschaftszweige auf? Der für sein „Don’t say gay-Gesetz“ bekannte Gouverneur von Florida, Ron DeSantis, schrieb vor einiger Zeit folgendes: „Old fashioned corporate Republicanism won‘t do in a world where the left has hijacked big business.“ (Übersetzt: „Der altmodische republikanische Unternehmergeist wird in einer Welt, in der die Linke das Großkapital an sich gerissen hat, nicht mehr funktionieren.“) [4] Was er und die anderen Republikaner damit meinen, ist einfach zu erklären: Sie wollen den Diskurs beherrschen, um somit die Mehrheit der Wähler für sich zu gewinnen.
Die Sprachsoziologin Ruth Wodak argumentiert dazu in ihrem Buch „Politik mit der Angst“: „Im Allgemeinen versucht rechtspopulistische Politik, soziale und wirtschaftliche Strukturen in ihrer Komplexität zu reduzieren […]. Dabei stellen rechtspopulistische Diskurse ‚das wahre Volk‘ einer angeblichen korrupten ‚Elite‘ gegenüber […].“ Diese Eliten wären nun die „Liberalen“, die angeblich eine Allianz zwischen Wallstreet, Hollywood, der Demokratischen Partei und der LGBTQ+ Community bilden. Sie sind die neuen Feindbilder. Die Republikaner sehen durch die angebliche Mehrheit in der Regierung und Wirtschaft sowie Filmbranche ihre eigenen Moralvorstellungen gefährdet. Somit entsteht eine reaktionäre „Traumwelt“ mit einer Parallelwirtschaft, die jeden Kontakt zu der ach-so- gefährlichen „Gender- Ideologie“ vermeidet.
QUELLEN:
Politik mit der Angst – Die schamlose Normalisierung rechtspopulistischer und rechtsextremer Diskurse von Ruth Wodak (2020)
[1] https://time.com/6317479/bud-light-boycott-maga-economy-donald-trump-jr/
https://www.tagesschau.de/wirtschaft/bud-light-bier-usa-transgender-101.html