Kenne deine Rechte

Wie peinlich!


Wenn man an sexuelle Bildung denkt, haben viele Menschen ein ähnliches Bild im Kopf. Peinliches Schweigen, die interessanten Seiten im Biobuch werden übersprungen, vielleicht wird mit rotem Kopf ein Video gezeigt – Fragen sind sowieso Tabu. Aber ist das immer noch so? Wie sieht sexuelle Bildung heutzutage überhaupt aus, was ist Sexualpädagogik eigentlich, wie wird man Sexualpädagog:inund welche Vereine befassen sich in Österreich überhaupt mit diesem Thema?

Sex…was?

Sexualpädagogik oder auch sexuelle Bildung ist Teil der Persönlichkeitsentwicklung und verläuft sowohl auf körperlicher als auch auf emotionaler und sensorischer Ebene. Sexualpädagogik soll Menschen auf dem Weg in eine selbstbestimmte Sexualität begleiten, Informationen vermitteln und mit Kompetenzen im sicheren Umgang mit sich selbst und anderen ausstatten. Die Informationen müssen wissenschaftlich gestützt und nicht verurteilend sein, sowie altersgerecht vermittelt werden und sich an der Lebenswelt der Zielgruppe orientieren. Das Ziel der Sexualpädagogik ist, eine positive Grundhaltung zur menschlichen Sexualität zu erwerben. Sie orientiert sich am Prinzip der Gleichstellung der Geschlechter und der Vielfalt der Lebensformen sowie an internationalen Menschenrechten.

Genauso wie es Menschenrechte gibt, gibt es auch sexuelle Rechte. Sexuelle Rechte umfassen beispielsweise das Recht Informationen über Sexualität zu erhalten und zu verbreiten, die sexuelle Aufklärung, die freie Partner:innenwahl, das Recht auf einvernehmliche sexuelle Beziehungen und ein befriedigendes, sicheres und lustvolles Sexualleben. Aber stellen wir überhaupt sicher, dass Schüler:innen Kompetenzen erwerben, die dies ermöglichen oder ist uns das immer noch so unangenehm, dass im Biounterricht unkommentiert ein Video gezeigt wird, worüber dann auf keinen Fall gesprochen werden darf?

Let’s talk about it!

Sexuelle Bildung ist fest im österreichischen Lehrplan verankert und soll fächerübergreifend vermittelt werden; Schwerpunkte werden etwa im Schulfach Biologie gesetzt. Die Umsetzung liegt hierbei natürlich in der Hand der Lehrpersonen. Wie soll eine Lehrperson faktenbasiertes, schambefreites Wissen vermittelt, wenn es ihr selber so unangenehm ist, dass das Aussprechen der Bezeichnungen für Geschlechtsorgane kaum möglich ist?

Aus diesem Grund werden oftmals Expert:innen dazu eingeladen, dieses Thema im Schulunterricht zu behandeln, um den Schüler:innen die Möglichkeit zu bieten, offen Fragen zu stellen, und um die Thematik nicht nur von Lehrer:innen vermitteln zu lassen, die in weiterer Folge Autoritätspersonen in der Schule sind. In Graz gibt es diverse Vereine und Organisationen, welche sich mit der Vermittlung von sexueller Bildung beschäftigen und Workshops in Schulen anbieten, etwa AbenteuerLiebe, Achtung*liebe, Mafalda sowie die Aidshilfe Steiermark.

Der Begriff Sexualpädagog:in ist in Österreich momentan nicht geschützt; prinzipiell kann somit jede Person von sich behaupten, Sexualpädagog:in zu sein. Aus- und Weiterbildungen, Zertifikatslehrgänge und Wahlfächer an Universitäten welche als Qualifizierung dienen, werden in Österreich vielfach angeboten. Bei einem Thema, bei dem es so wichtig wäre, Fachgerecht zu agieren und auf eine Art zu unterrichten, die Schüler: innen stärkt ohne sie in eine Richtung zu drängen ist dies Fatal. Noch fataler ist es allerdings, dass es immer noch Vereine gibt, die es ausnutzen, dass es keinerlei Qualitätssicherstellung gibt.

Erzkatholische Sexualpädagogik – Einzelgespräche, gemeinsames Essen und Hausbesuche

Schon seit Jahren steht der Verein TeenSTAR unter scharfer Kritik. In Schulworkshops sollen diskriminierende und unwissenschaftliche Inhalte vermittelt worden sein, wie etwa: Selbstbefriedigung sei ungesund, es wäre besser, nicht zu verhüten oder abwertende Aussagen über Homosexualität.

Als Reaktion auf das Bekanntwerden dieser Vorwürfe gab es in Österreich zunächst den Ansatz, sexuelle Bildung von externen Personen an Schulen zu verbieten. Es wurde in der Folge eine Beratungsstelle eingerichtet, welche Schulen bei der Auswahl externer Personen beraten soll. Aktuell wird gerade ein Akkreditierungsverfahren geplant, durch welches Vereine begutachtet und beurteilt werden sollen. Im Rahmen dieses Akkreditierungsverfahrens soll auch TeenSTAR geprüft werden. Momentan ist dem Verein die Abhaltung sexualpädagogischer Workshops noch erlaubt.

Was jetzt?

Für mich ist ganz klar, dass es dringend Regelungen braucht, welche Vereinen, die diskriminierend und unwissenschaftlich arbeiten, die Vermittlung von ihrem (Falsch-)Wissen in Klassenzimmern verbieten. Es kann jedoch trotzdem sinnvoll sein, Expert:innen in Schulen einzuladen, um über sexuelle Bildung zu sprechen, da es Schüler: innen oftmals leichter fällt, offen mit externen Personen über solche Themen zu sprechen, die sonst zu wenig behandelt werden. Auch bringen Expert:innen Methoden, Faktenwissen und die benötigte Kompetenz mit, um sexuelle Bildung bestmöglich zu vermitteln – zumindest in der Theorie. Um dies zu gewährleisten, ist die Akkreditierung von Vereinen, welche sich mit Sexualpädagogik befassen definitiv ein wichtiger und lange notwendiger Schritt in die richtige Richtung. Vielleicht ist es in den nächsten Jahren ja sogar möglich, die Berufsbezeichnung Sexualpädagog:in schützen zu lassen? Wünschenswert wäre es.

Quellen

https://www.bmbwf.gv.at/Themen/schule/schulpraxis/schwerpunkte/sexualpaed.html

https://rundschreiben.bmbwf.gv.at/rundschreiben/?id=699

https://www.oegs.or.at/

https://www.moment.at/teenstar-noch-immer-an-schulen-2023

https://unsplash.com/de/fotos/aNHBgtjoUDE


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