Kenne deine Rechte

Schützende Zuflucht oder bedrohendes Gefängnis?


Geflüchtete Personen können nicht hinaus und hilfsbereite NGOs dürfen nicht hinein: Die sogenannten Closed Controlled Access Centres (CCAC) auf mehreren griechischen Inseln täuschen eine gelungene Asylpolitik vor und lassen damit die Problemlage in der Ägäis immer weiter in den Hintergrund der politischen Agenda und auch der medialen Berichterstattung rücken.

Die Idee hinter den CCACs

Die Politik der Closed Controlled Access Centres wurde im März 2020 von der griechischen Regierung und der Europäischen Union als Reaktion auf den verheerenden Brand im ehemaligen Flüchtlingscamp Moria auf der Insel Lesbos beschlossen. Mit dem Vorhaben, eine solche Katastrophe zukünftig zu verhindern, sollten neue Camps eine „moderne technische und funktionale Infrastruktur“ (1) aufweisen und eine „sichere Einrichtung mit kontrolliertem Zugang und verbesserten Lebensbedingungen“ (1) bieten. Statt einfachen Zelten gibt es in den CCACs – zumindest in der Theorie – etwa witterungsdichte Container, befestigte Straßen, Abwassersysteme, Community Zentren und Freizeitbereiche. Limitierte Kapazitäten und strikte Registrierungsprozesse sollen dafür sorgen, dass die Asylverfahren systematisierten Vorgängen unterliegen und damit effizienter durchgeführt werden können. Als Ziel wird genannt, die Anzahl der Campbewohner:innen zu begrenzen und damit einer Überfüllung der Flüchtlingscamps entgegenzuwirken. Befürworter:innen der CCAC-Struktur argumentieren, dass eine solche gezielte Kontrolle von Migrationsprozessen notwendig ist, da das derzeitige System überlastet und nicht in der Lage sei, Asylanträge sachdienlich zu bearbeiten.

Hinter den Mauern

Was zunächst nach einem vielversprechenden Teil der Lösung klingen mag, entpuppt sich in der Realität aber als Deckmantel für weitere Menschenrechtsverletzungen. Bereits der Name Closed Controlled Access Centres lässt darauf schließen, dass die Einrichtungen einer starken Kontrolle unterliegen. Mit Stacheldrahtzaun befestigt und mit Videokameras ausgestattet, werden die CCACs unter der Leitung der griechischen Polizei rund um die Uhr bewacht. Informationen, die nach außen dringen, zeichnen ein bedenkliches Bild. Gemeinnützige Organisationen vor Ort berichten von vielfältigen Missständen: schlechte hygienische Verhältnisse, fehlende Rechtsvertretung, lange Wartezeiten im Asylverfahren, Trennung von Familien, Polizeigewalt und unzählige Missbrauchsfälle.

„Eine geflüchtete Person hat mir erzählt, dass sie sich jetzt, wo viele NGOs nicht mehr im Camp arbeiten dürfen, tatsächlich wie in einem Gefängnis fühlt“ erzählt mir eine Freiwillige, die sich im Moment auf der Insel Samos befindet. Entgegen ihrer Vorstellung zu Beginn ihres Einsatzes, darf sie das Campgelände nicht betreten. Kurz nach ihrer Ankunft auf der Insel Ende des Jahres 2022 wurde einem Großteil der dort stationierten NGOs der Zugang zum Camp untersagt. Die Campleitung verwehrt ihnen und weiteren humanitären Dienstleister:innen auch mit einer offiziellen Bewilligung den Zutritt. Unbefugtes Betreten und Verlassen soll verhindert werden. Eine NGO muss fortan alle Phasen des NGO-Registrierungsverfahrens durchlaufen, um als offizielle Organisation in Griechenland zu gelten, bevor der Zugang (wieder) gewährt wird. Schon vor dieser Weisung waren nur mehr einzelne NGOs direkt im Camp aktiv, weil viele andere NGOs ihre Arbeit unter der CCAC Politik nicht fortsetzen wollten und sich stattdessen in die nächsten Städte verlagerten. Für die Freiwilligen der übriggebliebenen NGO‘s heißt es im Moment abwarten, während sie zähe bürokratische Schritte durchlaufen, um sich für die Arbeit auf dem Campgelände registrieren zu lassen.

„Die griechische Regierung will vollkommene Kontrolle über alle Vorgänge im Camp. Das bedeutet aber, dass viel essenzielles Angebot für die geflüchteten Personen verloren geht“, meint die interviewte Freiwillige. Neben der Eingrenzung sozialer Aktivitäten sowie rechtlicher und psychologischer Beratungsstellen sei besonders die Eindämmung medizinsicher Versorgungsmöglichkeiten besorgniserregend. Dazu kommt, dass sich die CCACs in abgelegenen Gebieten mit schlechten Anschlussmöglichkeiten an umliegende Städte befinden. Organisationen, wie etwa I Have Rights auf der Insel Samos, werfen der griechischen Regierung vor, geflüchtete Menschen unrechtmäßig in ihrer Bewegungsfreiheit einzuschränken und sie in der Tat zu inhaftieren. In ihrem letzten Bericht vom Februar 2023 hält die NGO fest, dass neu ankommende Geflüchtete das Camp bis zu 25 Tage nicht verlassen dürfen. Aber auch nach dieser Periode des Registrierungsprozesses ist ihnen freie Bewegung nicht gewährleistet. Unter dem Vorwand, Schutz bieten zu wollen, werden Asylsuchende abgekapselt und unter eine vollständige Abhängigkeit von den Behörden gestellt.

Ausblick

Mittlerweile existieren fünf Campbauten der CCAC Art auf den Inseln Lesbos, Kos, Leros, Chios und Samos. Manche sind noch nicht in Benützung, sondern befinden sich momentan im Aufbau. Alle wurden durch den Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds (AMIF) der EU finanziert. Auf Basis der aktuell dominierenden Motive in der Asylpolitik vieler Staaten Europas ist es nicht unwahrscheinlich, dass weitere CCACs auch außerhalb von Griechenland errichtet werden. Weltweit lässt sich eine Ausdehnung von international geltendem Völkerrecht beobachten, die Menschenrechte zur Nebensache macht. Offenbar wird es möglich, humanitäre Hilfe zu kriminalisieren oder wie im Fall von Großbritannien einen Gesetzesentwurf anzukündigen, der illegal eingereisten Schutzsuchenden alle Wege zu ihrem Recht auf ein Asylverfahren versperren soll.

Einige Länder und viele Nichtregierungsorganisation positionieren sich aber entschieden gegen die Politik der CCAS. Sie kritisieren nicht nur die oft inhumanen Verhältnisse, sondern weisen auch darauf hin, dass es sich um einen kurzfristigen Lösungsversuch handelt, der die zahlreichen Wurzeln der Problemlage verkennt. Fluchtgründe sind vielfältig und werden in einer von Krisen gekennzeichneten Welt nicht aufhören zu existieren. Vor allem mit Blick auf die Klimakrise wissen Expert:innen schon lange, dass sich Migration verändern und auf heute (noch) nicht betroffene Weltregionen ausdehnen wird. Die Lösung liegt nicht im Erhalt gefängnisähnlicher Strukturen, der Begrenzung von Kapazitäten und auch nicht im Bau von Mauern und dem fragwürdigen Fokus der EU-Grenzschutzagentur Frontex auf den „Schutz der Außengrenzen“. Die Priorität muss darauf liegen, zukunftsorientierte Strukturen zu schaffen, die jedes nur mögliche Menschenleben auf der Flucht retten, Pushbacks stoppen und das Asylrecht nachhaltig schützen.

Quellen

(1) https://migration.gov.gr/en/?s=Closed+Controlled+Access+Center&trp-form-language=en

https://ecre.org/greece-further-fortification-of-borders-and-more-vessels-for-hellenic-coast-guard-as-situation-for-refugees-in-turkiye-worsens-following-earthquakes-series-of-reports-on-systematic/

The EU-Funded Closed Controlled Access Centre – The De Facto Detention of Asylum Seekers on Samos

https://ihaverights.eu/wp-content/uploads/2023/02/detention_report_full.pdf

CCC Samos (Closed Controlled Acess Center of Samos)

https://www.opendemocracy.net/en/beyond-trafficking-and-slavery/it-was-hell-asylum-seekers-and-ngos-allege-abuse-in-greek-detention/

 

 


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