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Erdbeben in Syrien und der Türkei: Katastrophe und Versagen


Nach dem Schock über die vielen Opfer des Erdbebens, das sich am 6. Februar im Süden der Türkei und im Norden Syriens ereignete, entstehen immer mehr Diskussionen über die Sicherheit der zerfallenen Gebäude vor Ort. Viele Expertinnen und Experten meinen, dass der Grad der Zerstörung sowie das Ausmaß an Menschenopfern geringer gewesen wäre, wenn eine gezielte Einhaltung von Baurichtlinien gewährleistet worden wäre.

Unsere Gesellschaft basiert auf ständigem Vertrauen darüber, dass Dienstleisterinnen und Dienstleister ihre Arbeit gewissenhaft ausführen. So erwartet man, um nur wenige Beispiele zu nennen, dass sich das Gesundheitspersonal im Krankenhaus bestmöglich um einen kümmert, dass Politikerinnen und Politiker nach bestem Wissen und Gewissen für den Staat arbeiten und alltägliche Güter wie unsere Lebensmittel regelmäßig kontrolliert werden.

Die Sicherheitsstandards

In den letzten Jahren erntete Ökkeş Elmasoglu oftmals Kritik, weil er als Bürgermeister in seiner Stadt Erzin keinen Pfusch erlaubte und im Vergleich zu vielen anderen kein Auge zudrückte, wenn etwa mehrere nichtgenehmigte Stockwerke bei neuen Wohnhäusern gebaut wurden. Elmasoglu berichtet, er habe sich nach den Erdbeben nichts vorzuwerfen; seine Stadt Erzin liegt mitten im Erdbebengebiet und verzeichnet hier vergleichsweise nur wenige zerstörte Gebäude und Opferzahlen.

Auch Eyüb Muhcu, Präsident des Dachverbandes der Ingenieure und Architekten in der Türkei, berichtet von der prekären Lage in seinem Land. Er twitterte vor Kurzem: „Das System der Bauproduktion und -inspektion bringt keine stabilen und sicheren Gebäude hervor… Unsere Bürger zahlen den Preis mit ihrem Leben und wirtschaftlichen Verlusten…“. Nach der letzten Erdbebenkatastrophe in der Türkei im Jahr 1999 wurden diverse Bauunternehmen strafrechtlich verfolgt sowie eine 7,5-prozentige Erdbebensteuer eingeführt, um damit den Wiederaufbau zu finanzieren und die Türkei auf kommende Erdbeben vorzubereiten.

Die Krux

Aber: Sich nicht an Baurichtlinien halten und „Pfusch“ (also die nachlässig ausgeführte Arbeit) betreiben, ist in vielen Fachbereichen gang und gäbe. Die Türkei verzeichnet nicht zuletzt aufgrund von Fluchtbewegungen eine stetig wachsende Einwohner:innenzahl. Das erfordert auch eine bessere Infrastruktur und mehr verfügbaren Wohnraum. „Pfuschen“, also die nachlässig ausgeführte Arbeit am Bau, ermöglicht Arbeitenden, auf einfache Art und Weise mehr Geld zu verdienen und den Besitzerinnen und Besitzern von Wohnhäusern mehr Haushalte unterzubringen und damit mehr Mieten einzufordern. Zudem werden die Akten von Bauvorrichtungen oftmals nach Bauende nicht mehr eingesehen. Das verheerende Erdbeben bringt diese Problematik mit den Bildern der Zerstörung wieder in den Fokus.

Neben dem Wiederaufbau und der Versorgung der Menschen in der Türkei durch Notunterkünfte ist jetzt also die Bauaufsicht gefordert. Neue Modelle und Methoden zur Errichtung und vor allem auch Einhaltung erdbebensicherer Bauten werden angestrebt. Jedoch haben diese Maßnahmen nur eine verzögerte Wirkung. Man müsse sich auch auf die bestehenden Gebäude fokussieren. Forschende vom Institut für Technik in Karlsruhe berichten von Zusatzschichten aus Glasfaser und Polypropylen, das an Mauerbauten angebracht werden kann. Auch das ebenso von vielen Erdbeben heimgesuchte Japan wird immer wieder als Vorreiternation erwähnt, wenn es um erdbebensichere Bauwerke geht.

Der Appell

Fest steht allenfalls, dass die Aufarbeitung der illegalen Errichtung unsicherer Bauten in den nächsten Jahren unbedingt aufgegriffen werden muss. Diese humanitäre Katastrophe soll als Appell dienen, dass Vorschriften und gesetzliche Bedingungen bei der Erschaffung der Infrastruktur wortwörtlich ein sicheres Fundament bieten und strengstens kontrolliert und gewährleistet werden müssen. Solange man Erdbeben noch nicht vorhersehen und die Menschen rechtzeitig alarmieren kann, ist die Sicherung der eigenen vier Wände das Einzige, was wir tun können, um Menschenleben zu retten.


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