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Wenn die Pressefreiheit an Freiheit verliert


Jedes Jahr am 3. Mai, am Tag der Pressefreiheit, veröffentlicht die Organisation „Reporter ohne Grenzen (RSF)“ den Pressefreiheitsindex, ein Ranking, das Länder nach dem Grad ihrer Medienfreiheit einordnet. Österreich erlebte darin heuer einen drastischen Absturz. Die Gründe dafür sind vielseitig.

„Pressefreiheit“ – ein kurzer, aber wichtiger Begriff, der viele Aspekte umfasst. Pressefreiheit meint zum Beispiel, dass Journalist:innen wie ich Artikel schreiben dürfen, ohne verhaftet zu werden. Es bedeutet auch, dass wir recherchieren können, ohne angegriffen zu werden, und dass uns nicht vom Staat vorgegeben wird, worüber wir zu schreiben haben. „Die Pressefreiheit ist die Basis einer demokratischen Gesellschaft“, wie es die Organisation „Reporter ohne Grenzen“ auf ihrer Website schreibt.

Der Tag der Pressefreiheit und warum es ihn gibt

Jedes Jahr am 3. Mai hat die Pressefreiheit ihren Tag. 1991, also vor über 30 Jahren, saßen zu diesem Datum Journalist:innen in der namibischen Stadt Windhoek bei einem UNESCO-Seminar zusammen. Es ging ihnen darum, eine unabhängige, pluralistische Medienlandschaft in Afrika zu fördern. Im Rahmen des Seminars unterzeichneten die Anwesenden die Deklaration von Windhoek. Ihre Forderung: freie, unabhängige und pluralistische Medien. Zwei Jahre später machte die UNESCO den Tag zum weltweiten Gedenktag.

Heute nutzen verschiedene Organisationen den 3. Mai, um auf Missstände im Bereich der Pressefreiheit aufmerksam zu machen. Die internationale Organisation „Reporter ohne Grenzen“, die sich auf der ganzen Welt gegen Zensur und für Pressefreiheit engagiert, präsentiert an diesem Tag jährlich den sogenannten Pressefreiheitsindex. Dieser zeigt auf, wie es in 180 Ländern weltweit um die Medienfreiheit steht. Auch in diesem Jahr wurde am 3. Mai eine neue Version veröffentlicht. Die Ergebnisse für Österreich sind teils bedenklich.

 

Von Platz 17 auf Platz 31: „Katastrophaler Absturz“ in Österreich

Österreich belegte viele Jahre lang Spitzenplätze im Ranking. Nach einem Abrutschen im Jahr der Ibiza-Affäre 2019 ist das Land in diesem Jahr noch weiter abgestürzt. 14 Plätze musste Österreich im Vergleich zum Vorjahr im Pressefreiheitsranking einbüßen und liegt nun auf Platz 31. Die Organisation „Reporter ohne Grenzen Österreich“ spricht von einem „katastrophalen Absturz“.

RSF weist zwar darauf hin, dass die Platzierungen aufgrund einer neuen Methode zur Erstellung des Index nicht mehr eins zu eins mit dem Ranking des Vorjahres vergleichbar sind, allerdings verursache das nur Verschiebungen von wenigen Plätzen. So große Abweichungen wie in Österreich seien also nicht der neuen Methodologie zuzuordnen. Doch was sind also die Gründe für den österreichischen Absturz?

Gründe für das Abrutschen

Vor etwa zehn Jahren noch auf Platz fünf, befindet sich Österreich im EU-weiten Vergleich nun unter den schlecht-platziertesten Ländern. Kein anderer Staat in Europa stürzte um so viele Plätze ab. Den Verlust bezeichnet Fritz Hausjell, Präsident von „Reporter ohne Grenzen Österreich“, bei der Präsentation des Berichts als „leider verdient“. Denn es gibt viele Gründe für das Abrutschen.

„Der Absturz um 14 Plätze von Rang 17 auf 31 ist das Ergebnis einer Vielzahl grober Nadelstiche gegen journalistische Medien im letzten Jahr“, so Fritz Hausjell. Zu diesen Nadelstichen gehören etwa Attacken auf Journalist:innen bei Corona-Demos, politische Interventionen im Mediengeschehen, Inseratenkorruption oder fehlende Transparenz.

In Bezug auf die fehlende Transparenz ist unter anderem das Fehlen eines österreichischen Informationsfreiheitsgesetzes gemeint. In Österreich gilt das sogenannte Amtsgeheimnis, was bedeutet, dass Bürger:innen auf kaum staatliche Informationen zugreifen dürfen. Dieses Gesetz gibt es seit 1925 – seit fast einhundert Jahren. Während es in den meisten Ländern mittlerweile durch ein Informationsfreiheitsgesetz ersetzt wurde, das den Zugang zu vielen Informationen ermöglicht, hält Österreich als letzter Staat der EU noch immer daran fest. Mittlerweile gibt es zwar einen Entwurf für ein Informationsfreiheitsgesetz, dessen Veröffentlichung lässt aber noch auf sich warten.

Auch dass sich österreichische Politiker:innen möglicherweise positive Berichterstattungen erkauft hatten, was im vergangenen Jahr an die Öffentlichkeit kam, oder dass öffentliche Gelder für politische Inserate hauptsächlich an Boulevardmedien gingen, trug zur Verschlechterung der Lage Österreichs im Pressefreiheitsindex bei.

Zudem gab es seit Beginn der Pandemie in Österreich viele Angriffe auf Journalist:innen, die von Corona-Demos berichteten. Auch in vielen anderen Staaten war das der Fall. Während in anderen Ländern, zum Beispiel Frankreich, die Polizei aber etwas dagegen unternahm und den Sicherheitsgrad für Journalist:innen bei den Demonstrationen erhöhte, blieb die österreichische Polizei weitgehend untätig.

Spitzenreiter und Schlusslichter

Auch wenn Österreichs Pressefreiheit sich in eine besorgniserregende Richtung entwickelt, befindet sich der Staat immer noch im „zufriedenstellenden“ Bereich des Rankings. Anders sieht das etwa in China aus. Das Land befindet auf Platz 175, also unter den Schlusslichtern des Pressefreiheitsindex. Journalist:innen werden in China häufig mundtot gemacht, unterdrückt, ausspioniert oder verhaftet. Im Bericht bezeichnet RSF das Land als „the world‘s largest prison for journalists“, also das weltweit größte Gefängnis für Journalist:innen.

Den allerletzten Platz belegt, wenig überraschend, Nordkorea, wo seit Jahren eine strenge Diktatur herrscht. Neben China und Nordkorea gibt es laut dem aktuellen Ranking in noch 26 weiteren Staaten eine „sehr ernste Lage“ bei der Pressefreiheit – das sind mehr als jemals zuvor.

Spitzenreiter ist wie auch schon im Vorjahr Norwegen. Dort können Journalist:innen laut RSF „frei von Zensur und politischem Druck“ ihren Job ausüben. In nur sieben weiteren Ländern wird die Pressefreiheit als „gut“ bewertet, darunter Schweden, Finnland, Portugal und – als einziger nicht europäischer Top-Ten-Staat  – Costa Rica.

Damit auch Österreich sich diesen Spitzenplätzen wieder nähern kann, muss eine Kehrtwende der aktuellen Trends stattfinden, wie Bundespräsident Alexander van der Bellen kurz nach der Veröffentlichung des Pressefreiheitsindex kommentierte: „Das muss eine Warnung sein. Diese Tendenz muss nicht nur gestoppt, sie muss umgekehrt werden.“ Ob das heurige Abrutschen im Pressefreiheitsindex Österreich als Weckruf gedient hat, wird sich in einem Jahr zeigen, wenn am 3. Mai 2023 das nächste Ranking veröffentlicht wird.

Der Pressefreiheitsindex 2022 samt Grafik ist hier abrufbar: https://www.rog.at/press-freedom-index-2021/


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