Kenne deine Rechte

Globale Strategien umsetzen: die Menschenrechtsbildung als Fundament für eine bessere Zukunft


Es gibt weltweit zahlreiche Menschenrechtsbildungsprojekte und Initiativen, die sich für eine gerechtere Welt einsetzen. Kenne deine Rechte wurde im April 2022 nach Turin, Italien, eingeladen, um dort im Zuge einer Austauschkonferenz über die 12-jährige Erfolgsgeschichte des Projekts zu berichten und gemeinsam Handlungsvorschläge für eine bessere Umsetzung der Menschenrechtsbildung zu erarbeiten. Eine Reflexion über gemeinsame Probleme, einfache Lösungen und die Wichtigkeit der Menschenrechtsbildung für die Zukunft, die wir uns wünschen.

Die „Europarats-Charta zur Politischen Bildung und Menschenrechtsbildung“ bekräftigt die Wichtigkeit der politischen und Menschenrechtsbildung für die Erreichung der Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Es handelt sich bei dieser Charta um eine an Staaten adressierte Empfehlung. Diese sollen gemeinsam mit anderen Akteur:innen, wie z.B. Schul- und Bildungswesen oder Nichtregierungs- und Jugendorganisationen, Maßnahmen ergreifen, um Strategien und Gesetzgebungen zur Menschenrechtsbildung umzusetzen.

Um sicherzustellen, dass die Menschenrechtsbildungscharta des Europarates dem Zeitgeist entspricht, wird sie alle fünf Jahre überprüft. Ein wichtiger und fixer Programmpunkt dieses Review-Prozesses ist ein Austauschforum zum Thema Menschenrechtsbildung. Dieses Jahr fand es von 11. bis 13. April 2022 in Turin, Italien, statt. Über 400 Menschenrechtsbildner:innen, Aktivist:innen und Forscher:innen kamen hier zusammen, um gemeinsam über „The art of learning equality, dignity and democracy” (Die Kunst, Gleichheit, Würde und Demokratie zu lernen) zu diskutieren. Ich hatte die außergewöhnliche Gelegenheit, an dieser Konferenz einerseits als Vertreterin von Kenne deine Rechte und andererseits als Vertreterin des Zentrums zur Förderung der Menschenrechte in Gemeinden und Regionen teilzunehmen. Somit hatte ich zwei Rollen inne: Koordinatorin eines Menschenrechtsbildungsprojektes und Forscherin, die sich mit der Realisierung der Menschenrechte auf der lokalen, städtischen Ebene befasst.

Die drei intensiven Konferenztage boten einerseits die Chance für einen inspirierenden Erfahrungsaustausch mit den Teilnehmenden, die in der Praxis des Bereichs der Menschenrechtsbildung arbeiten. Andererseits sollten auch konkrete Handlungsvorschläge für alle beteiligten Akteur:innen der Menschenrechtsbildung  erarbeitet werden, um schlussendlich eine Verbesserung der Umsetzung der Charta herbeiführen zu können. Besonders in schwierigen Zeiten wie diesen, die von einer mehrjährigen Pandemie geprägt und zusätzlich nun von zahlreichen Konflikten und der humanitären Katastrophe in der Ukraine zerrüttet sind, erscheint es immens wichtig, sich die Frage zu stellen: „Was kann man tun, um Menschenrechte wirklich unter die Leute zu bringen?“.

Die Menschenrechtsbildungscharta des Europarats versucht eine Kultur der Menschenrechte zu fördern, die in allen Teilen der Gesellschaft angesiedelt ist. Folglich müssen die Bemühungen dahingehend auch breit angelegt werden und in alle Sparten vordringen können. Eine spannende Erkenntnis des Austauschforums war, dass es in fast allen Ländern des Europarates zahlreiche Projekte, Institutionen und Akteur:innen gibt, die am gleichen Thema arbeiten und die gleichen Ziele verfolgen. Doch dies geschieht leider oft unabhängig voneinander, mit geringen finanziellen Mitteln und zumeist ohne eine übergreifende und klar definierte menschenrechtliche Zielsetzung. Daher lautete einer der gemeinsamen Schlussappelle des Meetings in Turin: „Human rights education is a human right itself and a catalyst for Human Rights“ (Die Menschenrechtsbildung ist selbst ein Menschenrecht und ein Katalysator für die Umsetzung der Menschenrechte). Das bedeutet also, dass die Menschenrechtsbildung der Grundstein und auch die ausschlaggebende Kraft für die Verwirklichung der Menschenrechte darstellt. Eine Ebene, die sich für die Umsetzung dieses Ziels besonders eignet, ist die städtische Ebene: sie ist jene politische und administrative Einheit, die den Menschen am nächsten ist, eine Vielzahl der relevanten Akteur:innen in dem Bereich der Menschenrechtsbildung beherbergt und dadurch eine kompetente Anlaufstelle für Veränderung werden kann. Denn am besten fängt man mit der Menschenrechtsbildung unmittelbar dort an, wo man selbst gerade ist.

Was heißt das nun für Kenne deine Rechte? Das Projekt Kenne deine Rechte besteht seit 2010. In diesen zwölf Jahren konnten mehr als 80 Menschenrechtsjungjournalist:innen ausgebildet werden, die täglich ihre Peers mit wichtigen menschenrechtsrelevanten Botschaften erreichen und informieren. Als Jugendplattform der Menschenrechtsstadt Graz leistet Kenne deine Rechte einen wesentlichen Beitrag zur Realisierung der sogenannten „Kultur der Menschenrechte“ – sprich, der Verankerung der Menschenrechte in unserem Alltag, in unseren Verhaltensweisen und in unserem Umgang miteinander. Mit dieser Zielsetzung ist Kenne deine Rechte ein klares Menschenrechtsbildungsprojekt: Denn wenn ich meine Rechte kenne, setze ich mich auch für die Rechte meiner Mitmenschen ein. So war es immens bereichernd, dieses erfolgreiche Beispiel einer langjährigen und zielführenden Zusammenarbeit zwischen (lokaler) Politik, junger Menschen und der Zivilgesellschaft auf dieser wichtigen internationalen Konferenz vorstellen und als Anreiz für eine Zusammenarbeit insbesondere mit der lokalen Ebene präsentieren zu dürfen.

Für mich war das gesamte Forum mit allen Diskussionen jedoch auch eine wichtige Erinnerung an den zentralen Kern unserer gemeinsamen Mission, Menschenrechte real zu machen. So sind schlussendlich W I R die Hauptakteur:innen, auf die es ankommt. Wir machen Menschenrechte greifbar und setzen sie in die Tat um. Daher liegt es auch an uns, mit gutem Beispiel voranzugehen: Gehen wir aktiv auf andere zu und setzen wir uns für unsere Rechte und Anliegen ein. Die Menschenrechtsbildung – egal in welcher Form sie stattfindet – ist eine Investition in eine nachhaltige, friedliche und solidarische Zukunft. Mit unseren Ressourcen, Interessen und Fähigkeiten als Kenne deine Rechte sollten wir daher hinausgehen, unser Sprachrohr nutzen und möglichst viele junge Menschen für die Relevanz und Wichtigkeit der Menschenrechte begeistern – und zwar für jene Menschenrechte, die direkt vor unserer Haustüre sind. Nur so kann es gelingen, die großen globalen Ziele, Strategien und Chartas auch nachhaltig umzusetzen. Wir können zwar nicht die ganze Welt verändern, aber wir können einen Schritt in die richtige Richtung gehen.

Die gemeinsame Abschlusserklärung des Austauschforums gibt es hier nachzulesen: https://rm.coe.int/turin-forum-2022-final-message/1680a629e3


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