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„Ich kann nicht atmen!“


Am 25. Mai 2020 verstirbt George Floyd in Minneapolis, im US-Bundesstaat Minnesota. „Ich kann nicht atmen!“ Doch er verstirbt nicht etwa an den Folgen der schweren Lungenkrankheit Covid-19. Der 46-jährige Afroamerikaner verstirbt, weil ein weißer Polizist mehrere Minuten lang sein Knie gegen den Hals des am Boden liegenden Mannes drückt und völlig emotionslos dessen klägliches Flehen ignoriert.

Während Regierungen weltweit versuchen, ihre Bevölkerungen am Leben zu halten und die aktuelle Gesundheitskrise mehr oder minder einheitlich zu bewältigen, raubt ein US-amerikanischer Polizist einem afroamerikanischen Mann den Atem[1]. Zeug*innen filmten den dramatischen Vorfall und wiesen panisch auf Georges Notlage hin. Sie konnten wohl für den Bruchteil einer Sekunde auch nicht mehr atmen, als ihnen das Ausmaß der Situation bewusst wurde. Die Herzen der Menschen weltweit, die sich das Video dieses Polizeieinsatzes ansahen, setzten wohl für einen Herzschlag aus.

Der Polizist, seine anwesenden Kollegen, die Zeug*innen und der Rest der Welt atmen weiter – und George?

George kann nicht mehr atmen und plötzlich hört sein Herz für immer auf zu schlagen.

Polizeigewalt in den USA

George Floyds tragisches Ende ist kein Einzelfall in den USA. Es reiht sich in eine traurige und lange Liste an Todesschicksalen, die durch exzessive Polizeigewalt herbeigeführt wurden. Die Website Mapping Police Violence[2] zeichnet ein erschreckendes Bild. Im Jahr 2019 wurden insgesamt 1.099 Menschen von der Polizei in den USA getötet. Des Weiteren haben Afroamerikaner*innen eine dreimal höhere Wahrscheinlichkeit durch Polizeigewalt getötet zu werden als weiße Bürger*innen. So waren 24% aller von der Polizei herbeigeführten Todesfälle im Jahr 2019 Afroamerikaner*innen. Aus einer anderen Studie, welche sich auf gesammelte Daten aus den Jahren 2013-2018 stützt, geht hervor, dass Polizeigewalt die häufigste Todesursache für Männer in den USA ist. Besonders stark davon betroffen sind afroamerikanische Männer, denn 1 von 1.000 kann damit rechnen, von der Polizei getötet zu werden[3]. George Floyds Schicksal ist ein weiterer niederschmetternder Beleg für die Richtigkeit dieser Daten.

„Black Lives Matter“

Nach Bekanntwerden des tödlichen Polizeieinsatzes kam es zu Protesten in Minneapolis. Die zunächst friedliche Demonstration führte schlussendlich zu Auseinandersetzungen mit der Polizei[4]. Die Menschen sind wütend. Vor allem die afroamerikanische Gemeinschaft fühlt sich bedroht. Die Bewegung „Black Lives Matter“ setzt sich seit mehreren Jahren für mehr Gerechtigkeit für die afroamerikanische Bevölkerung ein. Sie fordert ein Ende der rassistisch motivierten polizeilichen Übergriffe, die häufig zum Tod führen. Gegründet wurde die Bewegung im Jahr 2013 als Reaktion auf den Freispruch des Mörders von Trayvon Martin, eines 17-jährigen afroamerikanischen Highschool-Schülers[5].

Denkanstoß

„Ich kann nicht atmen!“ Eine sich rasant verbreitende Lungenkrankheit führt zum Atemstillstand und die Welt ruft den Notstand aus. Man sagt, dass Covid-19 kein Alter, kein Geschlecht und keine Hautfarbe kennt. Wir müssen zusammenhalten, wenn wir den Kampf gegen die Krankheit gewinnen wollen. Eine globale Pandemie bringt die Welt zum Stillstand. Wir sitzen alle im selben Boot.

„Ich kann nicht atmen!“ Ein sich rasant verbreitender Schwall exzessiver Polizeigewalt führt zum wiederholten Atemstillstand und die Welt…? Die Welt ruft keinen Notstand aus. Rassistisch motivierte Polizeigewalt in den USA kennt Alter, Geschlecht und Hautfarbe. Müssen wir nicht auch hier zusammenhalten, wenn wir den Kampf gegen Rassismus und Diskriminierung gewinnen wollen? Ein willkürlich verübter Mord durch eine Autorität bringt die Welt nicht zum Stillstand, weil wir eben nicht alle im selben Boot sitzen.

Alte Menschen, Kranke und besonders benachteiligte Gruppen verdienen unsere Hilfe im Kampf gegen Covid-19. Ihr Leben zählt.

Jeder Mensch hat das Recht auf Leben. „Ich kann nicht atmen!“ Es ist unsere Pflicht, dafür zu sorgen, dass du atmen kannst. JEDES Leben zählt.


[1] https://www.theguardian.com/us-news/2020/may/27/george-floyd-sister-police-officers-should-be-charged-with-murder

[2] https://mappingpoliceviolence.org/

[3] https://www.pnas.org/content/116/34/16793

[4] https://www.derstandard.at/story/2000117731773/
ausschreitungen-bei-protest-gegen-polizeigewalt-in-minneapolis

[5] https://blacklivesmatter.com/about/ 


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