„Schatzi, entspann dich!“
Worte haben Macht. Sie können einschüchtern oder aufbauen, verletzen oder lindern. Ein Satz ist trotzdem schnell dahingesagt. Ein blöder Witz schnell herausgerutscht. Doch wann ist es zu viel? Und was kann ich tun, damit mir das nicht passiert?
Anschuldigungen zahlreicher Frauen gegen einflussreiche Männer in ihrer Branche haben das Thema sexuelle Belästigung erneut in die Medien gebracht. Wo diese beginnt, ist eine Frage, die für hitzige Diskussionen sorgt. Manche machen sich Sorgen, den Mund verboten zu bekommen, selbst in ihrer Freiheit beschnitten zu werden. Andere erhoffen sich einen besseren Zugang der Öffentlichkeit zu den Betroffenen und weniger Victim blaming in der Zukunft. Doch wo fängt mein Recht an und wo hört das der anderen auf? Und können Worte wirklich schon Belästigung sein?
In Artikel 3 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte ist das Recht auf Freiheit, Leben und Sicherheit eines jeden Menschen verankert
. Die Erklärung über die Beseitigung der Gewalt gegen Frauen, die am 20.12.1993 bei der Generalversammlung der Vereinten Nationen verabschiedet worden ist, definiert unter anderem sexuelle Belästigung erstmals klar als gewalttätige Handlung gegen Frauen.
Dies zeigt, dass, obwohl sexuelle Gewalt seit jeher ein Aspekt menschlichen Zusammenlebens ist, die Auseinandersetzung mit dem Thema eine junge Entwicklung ist. Gerade deshalb fehlt es heute noch an differenzierten Begriffen und einem aufgeklärten Zugang zum Problem sexueller Belästigung. Vielen Menschen fällt es daher schwer, festzustellen, wo sie eine Grenze überschritten haben könnten oder selbst Opfer von Belästigung wurden.
Bei sexueller Belästigung handelt es sich um unerwünschte sexuelle Handlungen und Aufforderungen, welche die Würde der betreffenden Person verletzen.
Deshalb ist es sehr schwer, objektiv Verhalten als sexuelle Belästigung zu klassifizieren. Anzügliche Witze mögen in bestimmten Situationen kein Problem darstellen, in anderen aber gänzlich unangebracht und verletzend sein.
Den Mut zu finden, klar zu sagen, wenn man sich angegriffen fühlt, ist nicht einfach. Aber es ist notwendig, wenn sich unser Umgang mit diesen Problemstellungen dauerhaft ändern soll. Allerdings sollten wir die Lösung des Problems nicht den Betroffenen allein überlassen, sondern für eine weitreichende Sensibilisierung und Kommunikation im Alltag sorgen.
Was jüngste Entwicklungen klar unterstreichen, ist, dass sexuelle Belästigung auch immer als Machtinstrument missbraucht wird. Es geht in erster Linie um die Handlung selbst und die Ausübung der Macht über einen anderen Menschen, nicht um Lustgewinn
. Dies ist vor allem dann belastend für die Betroffenen, wenn sie sich bereits in einem Abhängigkeitsverhältnis befinden.
Jetzt hab dich nicht so.
Obwohl solche Erfahrungen oft psychische Folgen haben und das Selbstbild vieler auf Dauer schädigen, werden sie oft verharmlost. Vor allem rein verbale Belästigung wird als Kavaliersdelikt behandelt und die Schuld dem Opfer zugewiesen, weil er oder sie nicht fähig war, „einen Witz zu verstehen“ oder „ein Kompliment anzunehmen.“ Dass die Reduzierung auf körperliche Attribute gerade am Arbeitsplatz nicht angebracht ist und für viele eine unangenehme Erfahrung darstellt, ist noch nicht bei allen angekommen.
Viele Betroffene beschreiben die Reaktionen ihres Umfelds oder auch der sozialen Medien als gleichsam herabwürdigend wie die sexuelle Belästigung selbst.
Die Angst davor, belächelt, ausgelacht oder als unglaubwürdig abgestempelt zu werden, hält viele davon ab, sich überhaupt zu Wort zu melden.
Darum ist es wichtig, sich im Alltag im Klaren darüber zu sein, welche Macht die eigenen Worte haben. Langsam werden sich immer mehr Menschen dessen bewusst, dass sie nicht mehr alles hinnehmen müssen. Das ist vor allem denen unangenehm, die jetzt Angst haben, in Zukunft über ihre Worte nachdenken zu müssen. Allerdings sollte genau das selbstverständlich sein.
Nicht alles ist Belästigung, aber das heißt noch lange nicht, dass auch alles okay ist.
Weiterführende Links
Arbeiterkammer – Infos zu sexueller Belästigung
Gleichbehandlungsanwaltschaft – Sexuelle Belästigung? Nicht mit mir! (Folder)
UNO – Erklärung über die Beseitigung der Gewalt gegen Frauen