
Die Gender Gap – Trap
Wie vermutlich einige von euch beiläufig mitbekommen haben, markierte der 11. Oktober dieses Jahr den österreichischen „Gender Pay Gap“-Tag, also den Tag, ab dem Frauen bis zum Ende des Jahres „gratis“ arbeiten. Die Differenz im Einkommen zwischen Mann und Frau beläuft sich derzeit auf 22,9 %.
Aus diesem Grund gab es einige Aufklärungsveranstaltungen, Workshops und natürlich alljährliche Zeitungsartikel, wo in Copy+Paste-Manier über das Thema geredet wurde. Dieses Jahr kam das Thema Pflegeberufe und besonders unbezahlte Pflege auf. Dort trifft man schon auf das erste Problem: Diese Berufe sind einfach schlecht bezahlt, und tendenziell haben Frauen auch weiterhin Lust, diese Berufe auszuüben, sonst wäre „die Gap“ ja schon kleiner geworden
. Die Entscheidung, was man in fast der Hälfte der aktiven Zeit (*also die Zeit, wo man nicht schläft) jobbt, ist ja im Idealfall weniger finanziell geprägt, sondern an den Interessen und Talenten ausgerichtet.
Als Klischee-Mann in einem Klischee-Männerberuf in der IT weiß ich, dass Frauen es gleich leicht oder schwer haben, eine Lehre in diesem Beruf zu finden wie Männer, sofern das Interesse stimmt. Das ist jedoch eigentlich untertrieben, denn PersonalchefInnen werden heute immer wieder gerne (nachdrücklich) angehalten, jungen Frauen eine Chance zu geben. Dennoch ist der Frauenanteil in meinen 4 Berufsschulklassen nie über 5-10 % hinausgegangen. Hier greift das klassische Argument „Frauen verdienen weniger, weil sie harte physische Arbeit nicht annehmen wollen oder können“ leider nicht mehr, denn die IT hat nur mit Interesse zu tun und es ist pauschal gesehen sicher kein schwererer Beruf als im Pflegebereich, wird jedoch besser bezahlt.
Worauf will ich eigentlich hinaus? Die „Gehaltsschere“, wie sie gern genannt wird, gibt es nur aus dem Grund, dass die Verteilung der Arbeit sich vorrangig den Vorlieben und Bedürfnissen der Menschen anpasst. Ein physischer „Schwächling“ wie ich zum Beispiel, wird somit nicht in Positionen getrieben, wo er dann unerfüllt ist, weil die Arbeit nicht gefällt
. Für mich persönlich wären das eben solche Arbeiten wie Straßenarbeiter, Reinigung, Friseur etc. Dadurch kann ich mit meinen Veranlagungen und meinem Interesse nicht dieselbe Arbeit leisten wie jemand anderes. Genauso läuft es ja auch bei Frauen, die keine StraßenarbeiterInnen-Karriere anstreben. Wenn ihnen der Körperbau oder das Interesse fehlt, dann macht es keinen Sinn, sich als Frau diskriminiert zu fühlen, sondern als Mensch, dessen Zeit unterbewertet wird. Es kann nur aufgeklärt, sensibilisiert und Interesse geweckt werden.
Somit ist der Gender Pay Gap Day und die damit verbundene Ungerechtigkeitsattitüde rücksichtslos gegenüber denen, die zu wenig haben. Es ist mir nämlich egal, ob eine Frau mehr oder weniger als ich bekommt, solange niemand verhungert und akzeptabel wohnen kann, sehe ich keinen Grund für eine Unterscheidung. Die Gap, die willkürlich für Ungerechtigkeit in der Arbeitswelt sorgt, ist die Kollektivlohn-Gap. Viele Kollektivlöhne sind einfach zu niedrig angesetzt. Dies tangiert die Ungerechtigkeit zwischen Mann und Frau nicht nur, sondern stellt den Kern des Problems dar.
Die Gewerkschaften haben also Recht damit, mehr Geld zu fordern, dieser Forderung fehlt jedoch eine adäquate Inspiration. Wenn nun jede Feministin ihre Selfempoweredness auf das Kernproblem des gewaltigen Unterschieds zwischen einzelnen Berufen lenken würde, hätten wir endlich wieder eine aktive, wütende Gewerkschaft, die kein Scherz mehr ist, sondern ihre fairer definierten Ideale konzentriert zum Guten für Viele nutzt und endlich wieder etwas bewegen kann.
Es braucht Einigkeit, um ein Problem zu lösen. Also los, liebe FeministInnen, hebt euren Ehrgeiz auf den nächsten Level, schließt euch zusammen, seid viele, zieht an einem Strang. Fordert, dass die Lebenszeit für jeden Menschen gleich viel wert sein muss.