Check your Privilege
Tumblr, eine Blog-Plattform mit bis zu 300 Millionen BesucherInnen pro Monat, ist voll von Blogs über Fernsehserien, Musik, Fotografie..
. und soziale Gerechtigkeit. Dort hat sich nämlich eine Bewegung von Bloggern entwickelt, deren Ziel es ist, gegen die Unterdrückung von Minderheiten und für gesellschaftliche Gleichberechtigung aufzutreten. Was fantastisch klingt, bekommt bei näherer Betrachtung allerdings einen bitteren Beigeschmack, denn der Tonfall in der „Social Justice Community“ ist meist nicht gerade förderlich für sachlichen Dialog.
„Check your privilege!“ ist eine harsche Zurechtweisung und wohl die Lieblingsaussage dieser BloggerInnen. Damit wollen sie andere daran erinnern, ihren privilegierten Status in der Gesellschaft (als Mann, als Weiße/r, als Heterosexuelle/r etc.) nicht zu vergessen, wenn es darum geht, die Rechte von Minderheiten zu diskutieren. Privileg wird auf Tumblr in der Regel als etwas Negatives betrachtet, da es die Privilegierten automatisch zu „Unterdrückern“ der Nicht-Privilegierten und sie außerdem „blind für die Wahrheit“ macht. Das geht soweit, dass feministische Bloggerinnen des Öfteren angegriffen werden, wenn sie weiß, körperlich gesund usw. sind, weil sie dann ja nicht „wirklich“ für Frauenrechte eintreten können; denn immerhin sind sie noch viel privilegierter als behinderte, transsexuelle, lesbische Frauen oder als solche, die einer religiösen Minderheit angehören. Auf diese Weise entsteht in der Social Justice-Bewegung oft ein regelrechter Wettbewerb darum, wer am meisten benachteiligt ist, denn das bedeutet, der „Gute“ zu sein. Und niemand übernimmt gern die Rolle des privilegierten, unterdrückenden Bösewichts.
Ein großes Problem an Tumblrs Social Justice-Gemeinschaft ist auch die Heftigkeit, mit der die „Social Justice Warriors“, wie sie inzwischen ironisch genannt werden, auf Fehler reagieren. Sobald ein/e BloggerIn – in der Regel aus Versehen, aufgrund von Unwissenheit oder mangelnden Englischkenntnissen – etwas postet, das nicht politisch korrekt ist (ein Beispiel dafür wäre die Nutzung des Begriffes „coloured people“ statt „people of colour“), bricht eine Welle der Kritik, inklusive Beschimpfungen, über sie/ihn herein.
Der Zweck heiligt die Mittel?
Angesichts der aggressiven Methoden mag es paradox wirken, doch die politischen Ansichten der Social Justice-BloggerInnen sind liberal und anti-rechts. Sie treten leidenschaftlich gegen jede Art der Unterdrückung auf und wollen eine möglichst gerechte Gesellschaft erschaffen. Die Themen, die auf Tumblr hauptsächlich diskutiert werden, sind Frauenrechte, LGBT-Rechte und Rassismus, allerdings auch andere Probleme, die außerhalb dieser Bewegung kaum bekannt sind, wie zum Beispiel Diskriminierung gegen übergewichtige oder asexuelle Menschen. Ein Großteil der Blogs wird von Angehörigen bestimmter Minderheiten geführt, die persönlich unter Verletzungen ihrer Menschenrechte leiden. Zum Beispiel gibt es eine beträchtliche Gemeinschaft von Roma, die bloggen um andere Menschen über ihre Kultur abseits der gängigen Vorurteile, aber auch über die Unterdrückung, der sie nach wie vor ausgesetzt sind, zu informieren und so langsam gesellschaftliche Ungerechtigkeiten zu bekämpfen
. Obwohl der Aktivismus der Social Justice-BloggerInnen sich häufig auf das Internet beschränkt, hat er doch unbestreitbar positive Folgen: Er rückt soziale Probleme, die von den Medien oft ignoriert werden, ins Bewusstsein der Leute und konfrontiert viele, vor allem junge Menschen (56% aller Tumblr-User sind unter 34), zum ersten Mal mit der Idee von sozialer Gerechtigkeit. Wenn er allerdings eine Zukunft haben soll, muss sich das Klima in der Blogging-Gemeinschaft ändern. Ansonsten werden viele Blogs frustriert aufgegeben und so Stimmen zum Schweigen gebracht werden, die zum wirklichen Kampf gegen Diskriminierung beitragen könnten.
Foto (c) Eurobas, Matthew Bowden, Tumblr