Demo – sinnlose Krawallmache oder notwendige Protestaktion?
Graz, 12. Februar 2011. Zwischen 500 und 1000 Leute versammeln sich in der Grazer Herrengasse, um gegen das (geplante) Bettelverbot zu demonstrieren. Sie wollen nicht akzeptieren, dass ein Gesetz beschlossen wird, das in ihren Augen gegen die Menschenrechte verstößt und vielen Menschen ihre Lebensgrundlage raubt. Mit Hilfe einer Demonstration wollen sie ihr Ziel erreichen. Bei weitem nicht die einzige Demonstration in letzter Zeit: Demo gegen den WKR-Ball (Wiener Korporationsring), gegen die Budgetänderung und die Kürzung der Familienbeihilfe, die sogenannte „Anti-Strache“ Demo vor den letzten Wahlen…
Und das ist noch gar nichts im Vergleich zu dem, was sich zurzeit in Nordafrika abspielt. Immer wieder versammeln sich Menschen, um für ihre Meinung, ihre Rechte oder die Rechte anderer einzutreten.
Und was ist mit uns Jugendlichen? Sind auch wir bereit für unsere Rechte, unsere Überzeugung, auf die Straße zu gehen? Oder ist das für die meisten von uns nur unnötige Krawallmache? Ich habe da einmal nachgefragt…
…aber das Rechtliche zuerst
Jede Person hat das Recht, sich frei und friedlich mit anderen zu versammeln (Art. 11, EMRK).
In Österreich fallen Demonstrationen unter das Versammlungsgesetz von 1953. In diesem heißt es, dass eine „allgemein zugängliche Versammlung, ohne Beschränkung auf geladene Gäste“ (also auch Demos), mindestens 24 Stunden vorher bei der zuständigen Behörde angemeldet werden muss. Die Veranstaltung bzw. Demo ist zu untersagen, falls ihr Zweck den „Strafgesetzen zuwider läuft oder die Veranstaltung die öffentliche Sicherheit oder das öffentliche Wohl gefährdet“. Zudem herrscht Verhüllungsverbot, die Identität einer jeden Person muss einwandfrei zu erkennen sein. Waffen sowie andere gefährliche Gegenstände sind ebenfalls tabu. Der Behörde steht es frei, jemanden zur Veranstaltung zu schicken, dem dann über alles Auskunft gegeben werden muss. Wird eine der Vorschriften dieses Gesetzes verletzt oder ereignen sich andere gesetzeswidrige Vorgänge, darf die zuständige Behörde die Demonstration auflösen.
Aufstehen für Umweltschutz, gegen Rassismus und für/gegen bestimmte Bildungspolitik
Und wie stehen nun Jugendliche, denen doch oft nachgesagt wird, sich politisch nicht zu engagieren, zum Thema Demonstrieren? Ich habe im Rahmen einer Umfrage mittels schriftlichem Fragebogen 55 Jugendliche zwischen 15 und 18 Jahren befragt und kam zu beeindruckenden Ergebnissen: Von 55 Befragten haben 23 schon einmal demonstriert, wiederum 23 haben zwar noch nie an einer Demo teilgenommen, können sich aber vorstellen, dies in Zukunft einmal zu tun. Nur für 9 der 55 Jugendlichen ist es völlig ausgeschlossen bei einer Protestaktion mitzumachen. Diese große Demonstrationsbereitschaft unter den Jugendlichen ist bemerkenswert. Viele derer, die schon einmal demonstriert haben, haben für/gegen eine bestimmte Bildungspolitik, gegen eine Partei bzw. deren Einstellung oder gegen Rechtsextremismus und Rassismus demonstriert. 91% haben schon mal an einer Demo auf der Straße teilgenommen und 23% bei einer Online- Demo. Und ganze 100% (!) können sich vorstellen wieder auf die Straße zu gehen, um für etwas einzutreten, das ihnen wichtig ist. Diejenigen, die noch nie demonstriert haben, sich das aber vorstellen können, würden aus den gleichen Gründen auf die Straße gehen, dazu noch für Umweltschutz, für Religionsfreiheit und für Frieden. Und auch hier würden die meisten an einer Demo auf der Straße oder bei einer Online-Demo mitmachen.
Noch ein großes Lob an alle: Keine/keiner der Befragten findet es okay, wenn körperliche Gewalt angewendet wird (was übrigens verboten ist), allerdings würden immerhin 2 von 55 mit Gegenständen werfen
. Außerdem hat die Umfrage ergeben, dass ein Viertel der Befragten es okay findet, eine andere Person oder Gruppe zu beschimpfen oder den Mittelfinger zu zeigen. Aber eins ist gewiss: Gewaltlos erreicht man ja doch am meisten. Und ist es nicht auch besser, die anderen mit guten Argumenten zu überzeugen, anstatt sie mit Beschimpfungen und unfreundlichen Gesten gegen sich aufzuhetzen?
Keine Zeit, keine Infos, kein passender Anlass
23 von 55 Jugendlichen, die noch nie demonstriert haben, wären bereit in Zukunft an einer Demo teilzunehmen. Aber warum bisher noch nicht? Am häufigsten findet sich die Antwort „keine Zeit“, knapp gefolgt von „ keine Infos“ und „kein passender Anlass“. Soll also heißen, bis jetzt fand sich für diese Jugendlichen noch kein Grund, der ihnen wichtig genug war, sich dafür Zeit zu nehmen und dafür zu demonstrieren. Hier sollte man bedenken, dass die Befragten ja alle erst zwischen 15 und 18 Jahre alt waren. Und da die wenigsten schon vor dem 15. Lebensjahr beginnen zu demonstrieren, dürfte sich für viele bisher noch kein „passender Anlass“ gefunden haben
. Wichtig ist aber, dass, sollte es eines Tages eine Sache geben, die dem/der Betreffenden wirklich wichtig ist, dass er/sie sich aufrafft und sich „die Zeit nimmt“ um an einer Demo teilzunehmen. Sonst wäre das „keine Zeit, kein Anlass“ nur eine billige Ausrede. Und wegen der Informationen? Mein Tipp: Einfach Augen offenhalten, in die Zeitung oder ins Internet schauen (Facebook kann dafür eine gute Quelle sein), denn da werden Demonstrationen praktisch immer angekündigt.
Eintreten für die eigene Überzeugung
Und die totalen Demonstrationsverweigerer? Angegebene Gründe für diese Abneigung waren u.a.:
- „Demos sind ein Zeichen öffentlichen Ungehorsams“,
- „Aufgrund des Verhaltens der Demonstranten, das viel mehr an Tiere als an Menschen erinnert. Meines Erachtens gibt es bessere Lösungen als laut grölend mit Transparenten die Straße zu blockieren“,
- „zu viele Leute, zu laut“.
Ich persönlich möchte diesen Leuten raten, Demonstrationen doch eine Chance zu geben. Denn manchmal ist es wichtig, ja sogar absolut nötig, öffentlich für eine Sache einzutreten, wenn man will, dass sich etwas ändert, man etwas erreichen will. Zu guter Letzt bleibt es zwar jedem/jeder selbst überlassen, aber es ist bestimmt keine schlechte Sache, von unserem lang erkämpften Recht der Versammlungsfreiheit Gebrauch zu machen, um für seine Überzeugung einzutreten. Nur so kann man auch etwas verändern. Ganze 88 % der Befragten geben mir in dem Punkt Recht.